Dem Traum von der Selbstständigkeit gehen viele nach, indem sie selbst eine Firma gründen. Dazu braucht es aber nicht nur eine zündende Idee, sondern auch ausreichend Startkapital, den richtigen Zeitpunkt, einen geeigneten Standort und vieles mehr. Wie wäre es stattdessen damit, ein bereits bestehendes Unternehmen zu übernehmen? Im Folgenden zeigen wir Ihnen Chancen und Herausforderungen auf, die mit dieser Alternative einhergehen.
Gründen in der Schweiz
In der Schweiz werden jedes Jahr mehr als 40.000 Unternehmen gegründet. Das scheint zunächst viel, doch die Statistik zeigt, dass von diesen nur knapp die Hälfte überlebt. So waren laut dem Bundesamt für Statistik von den im Jahr 2013 gegründeten Unternehmen, fünf Jahre später lediglich 49,2 % übrig. Das ist eine recht hohe Scheiterungsquote, wenn man bedenkt, dass Gründer oftmals viel Zeit und Geld in ihre Start-up-Ideen stecken.
Auch interessant ist die Tatsache, dass sich einer Studie der Universität St. Gallen zufolge, im Jahr 2016 mehr als 88% der Schweizer Unternehmen in Familienbesitz befanden, von welchen mindestens 20 % in den nächsten fünf Jahren eine Nachfolge benötigen. Bedenken Sie: Üblicherweise werden von den Familienunternehmen 40 % intern an Familienmitglieder oder das Management übertragen (Tendenz sinkend), während ebenso viele extern verkauft werden. Die restlichen 20% werden zu einem bestimmten Anteil von externen Investoren übernommen.
Führt man beide Beobachtungen zusammen, so zeigt sich, dass einerseits eine grosse Zahl an neu gegründeten Unternehmen scheitern und andererseits viele Noch-Unternehmer bereits im Rentenalter sind und ihre Firma bald verlassen müssen. Auch wenn vermutlich viele von ihnen ihr Lebenswerk gerne an die nächste Generation der Familie weitergeben würden, scheint der Nachwuchs immer weniger Interesse an einer solchen Übernahme zu haben. Das hat zur Folge, dass die Zahl der familieninternen Nachfolgen sinkt und Unternehmen zunehmend zum Verkauf angeboten werden. Daraus lässt sich schliessen, dass die Übernahme eines bereits existierenden Unternehmens als Alternative zur Gründung eine ziemlich kluge Option für den Schritt in die Selbstständigkeit sein kann. Aktuell sind die Voraussetzungen für einen Firmenkauf besser denn je.
Was kann der Kauf, was eine Gründung nicht kann?
Doch nicht nur den objektiven Zahlen zufolge lohnt sich ein Kauf. Viele weitere Vorteile tun sich auf, wenn man genauer hinsieht. Ein wesentlicher Unterschied zu einer Neugründung ist, dass die Risiken bei einem Kauf deutlich geringer sind – oder anders formuliert: Die Erfolgschancen sind wesentlich höher. Woran liegt das? Anders als bei einer Gründung, bei welcher eine innovative Produktidee zunächst erarbeitet und ein entsprechendes Businesskonzept entwickelt werden muss, besteht bei einem Kauf bereits eine solide Grundlage. Die kritische Anfangsphase, welche viele neugegründete Unternehmen scheitern lässt, ist lange überwunden und der richtige Standort, funktionierende Produkte und Kunden- sowie Lieferantenbeziehungen bestehen in der Regel schon.
Der wohl grösste Nutzen bei der Übernahme eines etablierten Unternehmens ist aber, dass man nicht von null anfängt. Es existieren Strukturen und Prozesse sowie erfahrene Mitarbeitende, die diese umsetzen können. Auch muss nicht erst ein Team aufgebaut und eingearbeitet werden; vielmehr kann von der Expertise und Routine der hauseigenen Fachkräfte im Tagesgeschäft profitiert werden. Die bestehenden Geschäftszahlen liefern wichtige Anhaltspunkte über die Liquidität und Auftragslage und ermöglichen, auf Basis der vergangenen Jahre vorauszuplanen. Das erleichtert beispielsweise die Erstellung eines Business-Plans enorm – und fehlt bei einer Neugründung vollständig.
Ab dem ersten Tag Geld fliesst. Umsatz und Gewinne können sofort eingefahren werden und müssen nicht erst mühsam erarbeitet werden. Dazu kommt, dass es oft einfacher ist, Fremdkapital für einen Kauf als für eine Gründung zu erhalten, da mehr handfeste Daten vorliegen, die den Kapitalgebern eine grössere Sicherheit bieten. Nicht zuletzt steht der ehemalige Inhaber in den meisten Fällen für eine gewisse Zeit nach der Übernahme für Rat und Tat zur Seite, da diesem in der Regel die Zukunft seines Lebenswerkes am Herzen liegt. Das ermöglicht einen vergleichsweise sicheren Start in die Selbstständigkeit; nicht umsonst halten sich auch sechs Jahre nach einer Übernahme 80% der Unternehmen erfolgreich am Schweizer Markt.
Ganz risikofrei ist ein Verkauf nicht
Der Unternehmenskauf mag sich nun sehr verlockend anhören. Doch wie eine Medaille stets zwei Seiten hat, geht auch ein Kauf mit Herausforderungen einher. Damit Sie sich ein vollständiges, umfassendes Bild machen können (z.B. für den Fall, dass Sie mit dem Gedanken eines Kaufs spielen) möchten wir auch diese kurz näher erläutern.
Dadurch, dass bereits feste Strukturen bestehen, kann sich ein Käufer nur im begrenzten Rahmen selbst ausleben. Selbstverständlich kann er einige Veränderungen anstossen; das sollte aber nicht auf einmal stattfinden, sondern als langfristiges Projekt angegangen werden, um Beschäftigte, Kunden oder Lieferanten nicht zu überfordern. Es wäre schliesslich schade, wenn vorhandene Beziehungen unter einer zu grossen Umwälzung des Altbekannten leiden. Auch die Kultur der Firma ist bereits etabliert. Setzt sich ein Käufer ins „gemachte Nest“, muss er in der Lage sein, sich diesem zumindest für den Anfang anzupassen.
Gründet jemand stattdessen, hat sie alle Möglichkeiten, sich kreativ und originell auszuleben, ohne viel Rücksicht auf Bedürfnisse oder Erwartungen anderer nehmen zu müssen. Dieser Punkt knüpft auch daran an, dass der Käufer mit einer Übernahme direkt Verantwortung für eine mehr oder weniger grosse Zahl von Mitarbeitenden oder Kreditgebern übernehmen muss. Es handelt sich dabei nicht wie bei einem Start-up um einen schleichenden Wachstumsprozess der kontinuierlichen Übernahme von Verantwortung.
Der offensichtlichste Aspekt jedoch, ist wohl das Geld. Auch wenn die Überlebensrate deutlich höher als bei neu-gegründeten Unternehmen ist, Umsatz bereits erwirtschaftet wird und Fremdkapital leichter zu beschaffen ist, kann nicht geleugnet werden, dass für den Erwerb eines bestehenden Unternehmens auf einen Schlag eine Menge Geld in die Hand genommen werden muss. Das hört sich allerdings schlimmer an, als es in der Realität ist, denn die wenigsten bezahlen den Kaufpreis vollständig aus eigenen Mitteln. Bankkredite stellen eine Möglichkeit dar, um den Preis zu stemmen, wobei die Anforderungen für eine solche Unterstützung oftmals hoch sind. Eine Alternative bietet das sogenannte Verkäuferdarlehen – eine interessante Option, bei der sich der Verkäufer an der Finanzierung beteiligt.
Sind Sie für einen Unternehmenskauf bereit?
Jetzt haben Sie einiges an Input zu den Vor- und Nachteilen einer Firmenübernahme gelesen. Mit diesen Informationen im Hinterkopf können Sie nun für sich persönlich abwägen, welche Aspekte für Sie überwiegen und ob Sie den Sprung ins kalte Wasser wagen möchten. Die folgenden Fragen können Ihnen dabei gegebenenfalls zu mehr Klarheit verhelfen:
Weshalb möchten Sie sich selbstständig machen?
Können Sie sich gut in bestehende Strukturen einarbeiten oder setzen Sie gerne ohne Umschweife Ihre eigenen Vorstellungen durch?
Was zeichnet Sie als Persönlichkeit mit eigenem Unternehmen aus?
Was sind Kriterien an ein Unternehmen, die es erfüllen müsste, damit Sie potenziell an einem Kauf interessiert wären?
Gibt es Angebote auf dem Markt, die diese Kriterien erfüllen?
Welche Finanzierungsoptionen haben Sie?
Wofür Sie zu zahlen bereit sind
Ziel eines durchschnittlichen Käufers ist es, ein gesundes Unternehmen mit wenigen Risiken zu einem tiefen Preis zu erwerben. Als Käufer zahlen Sie für ein rentables Unternehmen mit vorhandener Infrastruktur und intakten Strukturen. Nur ungern sind Sie bereit, Geld für immaterielle Werte wie Potenzial oder Firmenname zu zahlen. Zudem möchten Sie als Käufer vom Verkäufer möglichst umfangreiche Gewährsleistungen und Garantien bekommen, um Ihr eigenes Risiko klein zu halten.
Als Kaufinteressent sind Sie darauf angewiesen, von Ihrem Gegenüber verlässliche Informationen zu bekommen. Eine transparente Buchhaltung des Kaufobjektes ist wichtig, ebenso wie effektive Management- und Prozessstrukturen. Vor einem Kauf empfiehlt es sich in jedem Fall, eine fundierte Prüfung aller Daten vorzunehmen, also eine so genannte Due Diligence durchzuführen.
Verfügen Sie als Käufer über wenig Erfahrung, kann es sinnvoll sein, sich professionellen Rat einzuholen. Beim Einbezug eines Beraters müssen Sie jedoch wissen, dass Sie dieser natürlich gut beraten möchte – aber auch ein adäquates Honorar erzielen will. Ein Berater verdient möglicherweise an jeder Firma, die Sie prüfen, mit. Das verleitet manchmal dazu, den ganzen Prozess in die Länge zu ziehen. Kommt hinzu: Den Entscheid, eine Firma zu kaufen, können Sie nicht delegieren. Das Unternehmerrisiko bleibt bestehen.
Wert der Firma ermitteln
Womöglich sind Sie nach der Evaluation eines Kaufobjektes in erster Linie an der Höhe des Preises interessiert. Das ist aber nicht immer der richtige Ansatz: Die korrekte Einschätzung der eigenen finanziellen Situation ist viel entscheidender. Kaufinteressenten neigen dazu, den Kapitalbedarf zu unterschätzen. Das muss bei Ihnen nicht der Fall sein. Jedoch zeigt die Erfahrung, dass ein Bankkredit oder andere Fremdfinanzierungen nur zustande kommen, wenn genügend Eigenkapital vorhanden ist und die Amortisation sowie die Verzinsung aus den Erträgen der Firma innerhalb von maximal fünf Jahren realistisch sind.
Die Bewertung eines Unternehmens ist komplex, es gibt verschiedene Ansätze (siehe Kapitel Unternehmensbewertung). Grundsätzlich wird zwischen dem theoretischen Unternehmenswert und dem realisierbaren Preis unterschieden. Auch der theoretische Unternehmenswert kann wieder mit verschiedenen Methoden errechnet werden, wobei mit jeder Methode unterschiedliche Werte erzielt werden.
Der realisierbare Unternehmenswert entspricht dem Aktienwert des Unternehmens, multipliziert mit der Anzahl Aktien. Er kann bei einem nicht börsenkotierten Unternehmen erst beim Verkauf des Unternehmens festgelegt werden. Es ist klar, dass er eine Momentaufnahme ist und zu diesem Zeitpunkt dem Marktpreis entspricht.
Die Übernahme
In der Praxis werden Unternehmenskäufe oft nach einem Zwei-Phasen-Modell gestartet. Formal können Signing & Closing in einem Akt vorgenommen werden. Um beiden Parteien im Zeitfenster zwischen Signing & Closing Rechtssicherheit zu geben, gibt es Absicherungsmechanismen. Mit dem Vollzug wird die Transaktion abgewickelt. Der neue Eigentümer ist in der Verantwortung, die Chancen und Risiken des Unternehmen liegen von nun an bei ihm. Für Sie als Käufer beginnt dann die letzte Stufe der Akquisition: die Integration. Unterschätzen Sie diese keinesfalls. Schauen Sie das Unternehmen noch einmal gründlich an. Vor allem ist nun aber die Zeit gekommen, um sich (wieder) dem Alltagsgeschäft zu widmen. Denn dieses ist in der hektischen Akquisitionsphase oftmals liegen geblieben.