Ein Unternehmen zu kaufen ist riskant, warum wir es aber dennoch empfehlen?
Dem Traum von der Selbstständigkeit gehen viele nach, indem sie selbst eine Firma gründen. Dazu braucht es aber nicht nur eine zündende Idee, sondern auch ausreichend Startkapital, den richtigen Zeitpunkt, einen geeigneten Standort und vieles mehr.
Ein Unternehmen zu kaufen ist riskant, warum wir es aber dennoch empfehlen?
Dienstag, 24. September 2024 ein Beitrag von Juan Pedro Schmid
Dienstag, 24. September 2024 ein Beitrag von Juan Pedro Schmid
In der Schweiz werden jedes Jahr mehr als 40.000 Unternehmen gegründet. Das scheint zunächst viel, doch die Statistik zeigt, dass von diesen nur knapp die Hälfte überlebt. So waren laut dem Bundesamt für Statistik von den im Jahr 2013 gegründeten Unternehmen, fünf Jahre weniger als die Hälfte übrig. Das ist eine recht hohe Scheiterungsquote, wenn man bedenkt, dass Gründer oftmals viel Zeit und Geld in ihre Start-up-Ideen stecken.
Wie wäre es stattdessen damit, ein bereits bestehendes Unternehmen zu übernehmen? Im Folgenden zeigen wir Ihnen Chancen und Herausforderungen auf, die mit dieser Alternative einhergehen.
1. Was kann der Kauf, was eine Gründung nicht kann?
Ein wesentlicher Unterschied zwischen Kauf und Neugründung ist, dass die Risiken bei einem Kauf deutlich geringer sind – oder anders formuliert: Die Erfolgschancen sind wesentlich höher. Woran liegt das? Anders als bei einer Gründung, bei welcher eine innovative Produktidee zunächst erarbeitet und ein entsprechendes Businesskonzept entwickelt werden muss, besteht bei einem Kauf bereits eine solide Grundlage. Die kritische Anfangsphase, welche viele neu gegründete Unternehmen scheitern lässt, ist lange überwunden und der richtige Standort, funktionierende Produkte und Kunden- sowie Lieferantenbeziehungen bestehen in der Regel schon.
Der wohl grösste Nutzen bei der Übernahme eines etablierten Unternehmens ist aber, dass man nicht von null anfängt. Es existieren Strukturen und Prozesse sowie erfahrene Mitarbeitende, die diese umsetzen können. Auch muss nicht erst ein Team aufgebaut und eingearbeitet werden; vielmehr kann von der Expertise und Routine der hauseigenen Fachkräfte im Tagesgeschäft profitiert werden. Die bestehenden Geschäftszahlen liefern wichtige Anhaltspunkte über die Liquidität und Auftragslage und ermöglichen, auf Basis der vergangenen Jahre vorauszuplanen. Das erleichtert beispielsweise die Erstellung eines Business-Plans enorm – und fehlt bei einer Neugründung vollständig.
Viele potenzielle Unternehmer können sich nicht selbstständig machen, weil sie ein geregeltes Einkommen brauchen, z.B. um eine Familie zu ernähren. Ein Start-up kann durch eine lange Phase mit keinen oder wenigen Umsätzen gehen, die es solchen Leuten verunmöglichen, ihr Angestelltenverhältnis aufzugeben. Bei einem Unternehmenskauf ist das anders: Ab dem ersten Tag fliesst Geld. Umsatz und Gewinne können sofort eingefahren werden und müssen nicht erst mühsam erarbeitet werden. Dazu kommt, dass es oft einfacher ist, Fremdkapital für einen Kauf als für eine Gründung zu erhalten, da mehr handfeste Daten vorliegen, die den Kapitalgebern eine grössere Sicherheit bieten. Nicht zuletzt steht der ehemalige Inhaber in den meisten Fällen für eine gewisse Zeit nach der Übernahme für Rat und Tat zur Seite, da diesem in der Regel die Zukunft seines Lebenswerkes am Herzen liegt. Das ermöglicht einen vergleichsweise sicheren Start in die Selbstständigkeit; nicht umsonst halten sich auch sechs Jahre nach einer Übernahme 80% der Unternehmen erfolgreich am Schweizer Markt.
2. Ganz risikofrei ist ein Kauf nicht
Der Unternehmenskauf mag sich nun sehr verlockend anhören. Doch wie eine Medaille stets zwei Seiten hat, geht auch ein Kauf mit Herausforderungen einher. Bitte bedenken Sie diese, wenn Sie einen Kauf in Erwägung ziehen:
Dadurch, dass bereits feste Strukturen bestehen, kann sich ein Käufer nur im begrenzten Rahmen selbst ausleben. Selbstverständlich kann er einige Veränderungen anstossen; das sollte aber nicht auf einmal stattfinden, sondern als langfristiges Projekt angegangen werden, um Beschäftigte, Kunden oder Lieferanten nicht zu überfordern. Es wäre schliesslich schade, wenn vorhandene Beziehungen unter einer zu grossen Umwälzung des Altbekannten leiden. Auch die Kultur der Firma ist bereits etabliert. Setzt sich ein Käufer ins „gemachte Nest“, muss er in der Lage sein, sich diesem zumindest für den Anfang anzupassen.
Gründet jemand stattdessen, hat sie alle Möglichkeiten, sich kreativ und originell auszuleben, ohne viel Rücksicht auf Bedürfnisse oder Erwartungen anderer nehmen zu müssen. Dieser Punkt knüpft auch daran an, dass der Käufer mit einer Übernahme direkt Verantwortung für eine mehr oder weniger grosse Zahl von Mitarbeitenden oder Kreditgebern übernehmen muss. Es handelt sich dabei nicht wie bei einem Start-up um einen schleichenden Wachstumsprozess der kontinuierlichen Übernahme von Verantwortung.
Der offensichtlichste Aspekt jedoch ist wohl das Geld. Auch wenn die Überlebensrate deutlich höher als bei neu-gegründeten Unternehmen ist, Umsatz bereits erwirtschaftet wird und Fremdkapital leichter zu beschaffen ist, kann nicht geleugnet werden, dass für den Erwerb eines bestehenden Unternehmens auf einen Schlag eine Menge Geld in die Hand genommen werden muss. Das hört sich allerdings schlimmer an, als es in der Realität ist, denn die wenigsten bezahlen den Kaufpreis vollständig aus eigenen Mitteln. Bankkredite stellen eine Möglichkeit dar, um den Preis zu stemmen, wobei die Anforderungen für eine solche Unterstützung oftmals hoch sind. Eine Alternative bietet das sogenannte Verkäuferdarlehen – eine interessante Option, bei der sich der Verkäufer an der Finanzierung beteiligt. Da das finanzielle Risiko zentral für den Käufer ist (bei einem Konkurs könnte der ganze Verkaufspreis verloren gehen), spielt es bei der Kaufentscheidung auch eine zentrale Rolle. Dabei geht es aber nicht einfach darum, den Kaufpreis möglichst tief zu halten, sondern zu eruieren, ob der Kaufpreis, das Ertragspotential und das Risiko in einem günstigen Verhältnis zueinander liegen (mehr Informationen zum Unternehmenswert)
3. Sind Sie für einen Unternehmenskauf bereit?
Jetzt haben Sie einiges an Input zu den Vor- und Nachteilen einer Firmenübernahme gelesen. Mit diesen Informationen im Hinterkopf können Sie nun für sich persönlich abwägen, welche Aspekte für Sie überwiegen und ob Sie den Sprung ins kalte Wasser wagen möchten. Die folgenden Fragen können Ihnen dabei gegebenenfalls zu mehr Klarheit verhelfen:
- Weshalb möchten Sie sich selbstständig machen?
- Können Sie sich gut in bestehende Strukturen einarbeiten oder setzen Sie gerne ohne Umschweife Ihre eigenen Vorstellungen durch?
- Was zeichnet Sie als Persönlichkeit mit eigenem Unternehmen aus?
- Was sind Kriterien an ein Unternehmen, die es erfüllen müsste, damit Sie potenziell an einem Kauf interessiert wären?
- Gibt es Angebote auf dem Markt, die diese Kriterien erfüllen?
- Welche Finanzierungsoptionen haben Sie?