Earn-out-Klauseln in der KMU-Nachfolge: Ein strategisches Instrument für Käufer

Earn-out-Klauseln spielen in der KMU-Nachfolge eine zunehmend zentrale Rolle. Immer mehr Käufer bevorzugen Modelle, die den Kaufpreis an die zukünftige Leistung des Unternehmens koppeln. Dieser Artikel zeigt auf, worauf es bei Earn-out-Strukturen ankommt, welche Vor- und Nachteile sich bei einem Earn-out bieten und welche Herausforderungen beachtet werden müssen.

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Earn-out-Klauseln in der KMU-Nachfolge: Ein strategisches Instrument für Käufer

Sonntag, 30. November 2025 ein Beitrag von Yanik Hess

Sonntag, 30. November 2025 ein Beitrag von Yanik Hess

1. Einführung: Warum Earn-outs für Käufer immer wichtiger werden

Viele KMU verfügen über historisch stabile, aber in der Zukunft schwer prognostizierbare Erträge und Cashflows, oft geprägt von der Erfahrung und Persönlichkeit des bisherigen Inhabers. Hinzu kommen Informationsasymmetrien, schwankende Margen oder das Fehlen systematischer Planungsprozesse. In solchen Situationen ermöglicht eine Earn-out-Struktur im Rahmen einer KMU-Übernahme, wirtschaftliche Unsicherheiten zu reduzieren und den Kaufpreis aus Sicht des Käufers fairer – und vor allem risikoadjustiert – zu gestalten.
Ein Earn-out bedeutet, dass ein Teil des Kaufpreises erst dann ausgezahlt wird, wenn das Unternehmen während einer vordefinierten Zeitdauer nach Vollzug der Transaktion bestimmte, zuvor festgelegte Ziele erreicht. Statt sich vollständig auf Prognosen des Verkäufers verlassen zu müssen, verlagert der Käufer einen Teil der Preisfindung in die Zukunft. Damit bezahlt er nicht für Erwartungen, sondern für die tatsächliche Leistung welche in der Zeit nach der Unternehmensübernahme erzielt wird.
 

2. Ausgewählte Vorteile: Was Käufer durch Earn-outs gewinnen 

2.1. Risikomanagement und Schutz vor Fehleinschätzungen

Für Käufer ergibt sich ein entscheidender Vorteil: Earn-out Strukturen fungieren als effektives Risikomanagementinstrument und schützen vor Prognosefehlern, insbesondere wenn der Verkäufer sehr optimistische Zukunftserwartungen kommuniziert. Darüber hinaus gleicht ein Earn-out die typische Wissensasymmetrie aus. Kein Due-Diligence-Prozess – selbst der sorgfältigste – kann die Informations- und Erfahrungstiefe des Verkäufers vollständig kompensieren.

2.2. Motivation und Einbindung des Verkäufers

Ein weiterer zentraler Vorteil liegt beim Setzen von Anreizen für den Verkäufer, insbesondere während der Übergangsphase. Viele Nachfolgen scheitern nicht an finanziellen Fragen, sondern an einer mangelhaften Übergabe, fehlendem Wissenstransfer oder Versäumnissen im Kundenkontakt bzw. der Kundenbetreuung. Wenn der Verkäufer durch einen Earn-out am zukünftigen Erfolg beteiligt bleibt, steigt seine Motivation, den Übergang aktiv zu begleiten, Kundenbeziehungen bestmöglich zu übergeben und zu erhalten sowie seine Expertise strukturiert weiterzugeben.

3. Herausforderungen: Wo Käufer besonders aufmerksam sein müssen

3.1. Komplexität und Konfliktpotenzial in der Praxis

Trotz aller Vorteile ist Vorsicht geboten: Earn-outs sind anspruchsvoll in der Umsetzung und bergen Konfliktpotenzial. Die grösste Herausforderung besteht in der genauen Definition der relevanten Kennzahlen, auf deren Basis die Earn-out-Zahlung erfolgt. Kennzahlen wie Umsatz oder EBITDA wirken auf den ersten Blick klar, doch in der Praxis sind sie oft manipulationsanfällig – beispielsweise durch Bilanzierungsentscheidungen, Kostenverteilungen oder in Bezug auf die zeitliche Dimension. Wenn solche Fragen nicht eindeutig geregelt sind, kann dies in der Praxis zu Konflikten zwischen den Parteien führen.

3.2. Unterschiedliche Interessen: Kurzfristig vs. langfristig

Interessenskonflikte sind im Hinblick auf Earn-outs ein weiteres, häufiges Problem. Verkäufer, deren Earn-out-Zahlung von kurzfristigen Erfolgen abhängt, könnten versuchen, Massnahmen zu ergreifen, die für den Käufer langfristig nachteilig sind – etwa aggressive Preisaktionen oder die Verzögerung notwendiger Investitionen. Käufer hingegen verfolgen meist langfristige strategische Ziele. Werden diese Ziele während der Earn-out-Phase zu stark eingeschränkt, kann dies die Weiterentwicklung des Unternehmens behindern.

4. Erfolgsfaktoren: Wie Earn-outs für Käufer optimal funktionieren

4.1. Präzise KPI-Definitionen und manipulationsarme Kennzahlen

Entscheidend ist eine wohldurchdachte Ausgestaltung der Earn-out-Struktur. Sowohl Käufer als auch Verkäufer sollten auf objektiv messbare Kennzahlen setzen, die möglichst wenig Manipulationsspielraum bieten. Häufig werden EBITDA oder Umsatz verwendet, jedoch nur mit klaren Definitionen, der Berücksichtigung von Normalisierungseffekten und allfällig vordefinierten Ausnahmeszenarien. Die Berechnung muss eindeutig und objektiv nachvollziehbar sein: klare Formeln, fixierte Zeiträume, dokumentierte Anpassungen und transparente Informationsrechte für die jeweiligen Parteien.

4.2. Realistische Ziele und sauber modellierte Szenarien

Ebenso wichtig ist ein realistisches Zielniveau. Ein zu ambitionierter Earn-out führt zu Frustration, ein zu leichter Earn-out zu einer Verzerrung der Risikoverteilung. Eine sorgfältige Szenariomodellierung – inklusive Sensitivitätsanalysen – schafft Fairness und Transparenz für beide Parteien.

4.3. Klare Regelung der operativen Einflussfaktoren

Der Einfluss des Käufers auf das operative Geschäft während der Earn-out-Phase muss klar definiert sein. Fragen wie Investitionen, Personaländerungen, Preisstrategien oder Kostenallokationen sollten im Kaufvertrag konkret geregelt werden. Nur so lässt sich verhindern, dass Konfliktpotenzial bzw. spätere Diskussionen entstehen oder der Käufer sich in seinen Entscheidungen eingeschränkt sieht.

4.4. Transparente Zusammenarbeit während der Übergangsphase

Earn-out-Regelungen funktionieren besonders gut, wenn der Verkäufer operativ eingebunden bleibt, wenn KPIs einfach und nachvollziehbar sind und wenn die Earn-out-Dauer bzw. Earn-out-Periode mit einem realistischen Zeitfenster (z.B. ein bis drei Jahren) bemessen ist. Eine offene Kommunikation und ein strukturiertes Reporting sind entscheidend, um Missverständnisse zu vermeiden.

5. Der Prozess: Wie Käufer Earn-outs strukturiert vorbereiten

Für Käufer ist der Prozess klar gegliedert. Er beginnt mit der Analyse, ob Unsicherheiten oder Wissensvorsprünge des Verkäufers einen Earn-out überhaupt sinnvoll machen. Danach folgt die Auswahl der KPIs und die Modellierung verschiedener Szenarien, um den potenziellen Kaufpreisrahmen zu bestimmen. Die anschliessenden Verhandlungen dienen dazu, Definitionen, Ausschlüsse, Berechnungsmechanismen und Informationsrechte schriftlich festzulegen. Die Due Diligence spielt eine entscheidende Rolle, um Ausgangswerte wie EBITDA-Normalisierungen zu prüfen und Risiken frühzeitig zu identifizieren. Nach dem Vollzug geht es um die saubere Überwachung und transparentes Berichterstattung, bis schliesslich die jeweiligen Auszahlungen berechnet sind bzw. die Earn-out-Periode schlussendlich abgeschlossen ist. 

6. Steuerliche Implikationen berücksichtigen

Ein Earn-out ist für den Verkäufer einer AG oder GmbH dann attraktiv, wenn er als Teil des Kaufpreises als steuerfreier Kapitalgewinn qualifiziert. Wird ein Teil des Kaufpreises aufgrund der gewählten Ausgestaltung des Earn-out von den Steuerbehörden als steuerbares Einkommen umqualifiziert, so mindert dies die Attraktivität des Earn-outs für die Verkäuferschaft signifikant. 

7. Fazit: Earn-outs als wirkungsvolles Werkzeug für Käufer

Earn-out-Klauseln sind ein äusserst wirkungsvolles Instrument für Käufer im Rahmen von KMU-Übernahmen. Earn-out-Strukturen können Fairness schaffen, Risiken reduzieren und eine konstruktive Übergangsphase fördern. Gleichzeitig erfordern sie eine sorgfältige Ausgestaltung, ein tiefes Verständnis für die wirtschaftlichen Zusammenhänge und professionelle Begleitung in juristischen, finanziellen und steuerlichen Fragen. Wer diese Erfolgsfaktoren berücksichtigt, kann Earn-outs nutzen, um aus Käuferperspektive Unsicherheiten zu entschärfen und die Basis für eine nachhaltige und erfolgreiche Unternehmensübernahme zu schaffen. Die steuerlichen Auswirkungen müssen jedoch berücksichtigt werden.

8. Häufige Fragen und Antworten

1. Was ist der Hauptvorteil eines Earn-outs für Käufer?

Ein Earn-out ermöglicht es Käufern, nur für tatsächlich erzielte Ergebnisse zu zahlen und reduziert so das Risiko von Fehleinschätzungen. Gleichzeitig dient er als Instrument, um Prognoseunsicherheiten oder Informationsasymmetrien zwischen Käufer und Verkäufer abzufedern.

2. Wann ist ein Earn-out besonders sinnvoll?

Earn-outs sind vor allem dann sinnvoll, wenn das Unternehmen stark von der Erfahrung des bisherigen Inhabers abhängig ist oder die Zukunftsaussichten unsicher sind. Auch bei Unternehmen mit stark schwankenden Ergebnissen oder volatilen Märkten bietet ein Earn-out einen fairen Mechanismus, um Kaufpreisrisiken zu begrenzen.

3. Welche Kennzahlen eignen sich für einen Earn-out?

Häufig genutzte Kennzahlen sind EBITDA, Umsatz, Bruttomarge oder die Anzahl neuer Kunden. Wichtig ist, dass die Kennzahlen objektiv messbar, manipulationssicher und klar definiert sind, damit Streitigkeiten zwischen Käufer und Verkäufer vermieden werden.

4. Wie lange sollte ein Earn-out dauern?

Typischerweise dauert ein Earn-out zwischen 1 und 3 Jahren. Die Dauer sollte so gewählt werden, dass der Verkäufer noch ausreichend Motivation hat, den Übergang aktiv zu begleiten, ohne dass die operative Steuerung des Unternehmens unnötig eingeschränkt wird.

5. Welche Risiken bestehen für Käufer bei einem Earn-out?

Käufer laufen Gefahr, dass Kennzahlen kurzfristig optimiert werden, was wiederum langfristige Ziele gefährden kann. Auch unklare Definitionen, fehlende Normalisierungen oder unzureichendes Reporting können zu Konflikten und rechtlichen Auseinandersetzungen führen.

6. Wie kann ein Käufer sich absichern?

Durch präzise Definitionen der KPIs, eindeutige Berechnungsmethoden und vertraglich geregelte Ausschlüsse. Zudem sollten Informationsrechte, transparente Reportingpflichten und Normalisierungen schriftlich festgelegt werden, um Manipulationsmöglichkeiten zu minimieren.

7. Was passiert, wenn die Ziele nicht erreicht werden?

Dann entfällt der variable Teil des Kaufpreises ganz oder teilweise. Dies schützt den Käufer davor, für erwartete, aber nicht realisierte Leistungen zu zahlen, und stellt sicher, dass der Preis der tatsächlichen Unternehmensleistung entspricht.

8. Wann ist ein Earn-out ungeeignet?

Earn-outs eignen sich nicht, wenn das Geschäftsmodell stark von Käuferentscheidungen abhängt. In solchen Fällen könnte die Zielerreichung vom Käufer gesteuert oder beeinträchtigt werden, was Konflikte unvermeidbar macht.

9. Welche Rolle spielt die Vertragsgestaltung?

Die Vertragsgestaltung ist entscheidend für den Erfolg eines Earn-outs. Alle KPIs, Berechnungsformeln, Ausschlüsse, Reportingpflichten und Normalisierungen müssen klar und rechtlich verbindlich definiert sein, um Streitigkeiten während der Earn-out-Phase zu vermeiden.

10. Welche praktischen Vorteile ergeben sich für die Übergangsphase?

Ein Earn-out motiviert den Verkäufer, Wissen sauber zu übergeben, Kundenbeziehungen zu stabilisieren und das Unternehmen weiterhin erfolgreich zu führen. Gleichzeitig ermöglicht er dem Käufer, die operative Kontrolle langsam zu übernehmen und Risiken strukturiert zu steuern.
 

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Partner bei Transaction Partner AG

Yanik Hess hat langjährige Erfahrung in der Finanzbranche und kennt die Themen M&A, Unternehmensbewertung und Strukturierung entlang aller Komplexitätsstufen.

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